Mein Erlebnisbericht 25.6.2015 bis 28.6.2015

Nonstop-Tour Kaisersbach-Venedig-Kaisersbach (Planung 1.330 km und 10.764 Höhenmeter)

 

Info`s

 

1)    Entstehung

Ein belangloses Gespräch mit einem Rad-Freund, im Bereich des Jahreswechsels von 

2014 zu 2015, für eine Unternehmung im Jahr 2015, nämlich einer Tour bis ans Meer

nach Venedig.

Daraus entstand dann die Extrem-Tour hin und zurück.

2)    Allgemeines

Alleinfahrt mit Rennrad-Scott R1 und Rucksack 4-5 kg incl. Rucksackgewicht, Xentis Car-

bon-Laufräder mit 4 Carbon-Speichen, dadurch höhere Sicherheit weil hier Bruch einer Einzelspeiche praktisch ausgeschlossen ist, sind aber ca. 400 bis 500 g schwerer, Garmin

Edge 1000 - Navi, Front-LED-Licht Sigma EVO PRO (sehr empfehlenswert) mit 2 Akkus (1

Akku war bei der Rückfahrt im Bereich nach Schio leer), 2 Rücklichter (Knog-Minilichter) (benötigte für 3 Nächte nur 1 Licht und den ersten Batteriesatz) mit mehreren Ersatzbat-terien, Handy (alter Art - ohne Ersatz-Akku, war im Nachhinein ein Fehler, konnte im Teil II der Rückfahrt kaum mehr Nachrichten per SMS senden – weil der Akku auf leer ging),  Di-gitalkamera für wichtige Bilder mit Zeitregistrierung, Geldbeutel und Kreditkarte,  Verpfle-gung mit Riegeln für ca. 700 km, fertige Mineralgetränke (Pulver) zum Mischen der Geträn-keflaschen mit Wasser, 30 Salztabletten, einige Magnesium-Sticks, Aspirin- und Schmerz-tabletten, kleine Zahnbürste mit Mini-Zahncreme, Landkartenausschnitte der gesamten Strecke für den Notfall (Navi-Ausfall oder leerer Akku – war im Nachhinein 100 % richtig), kleines Notizbuch für Aufschriebe incl. Kugelschreiber, Sonnencreme, Melkfett für das ge-stresste Hinterteil (ganz wichtig - darauf spielt sich letztendlich alles ab), Pflaster, Watte,

2 Ersatzschläuche (auf Mantel wurde verzichtet, weil neue montiert wurden, war im Nach-hinein ein Fehler – Mantel wurde seitlich aufgeschlitzt) 

3)    Ausstattung (incl. der getragenen Kleidung)

Regenklamotten (Jacke, Hose, Radüberschuhe, 1 gepolsterte Radhose mit Trikot, Unter-

hose mit Polster, 1 Unterhemd ärmellos, 1 Kurz-Trikot ärmellos, 1 Windjacke ärmellos, Handschuhe kurz, Handschuhe lang für die Nachtfahrten, Toilettenpapier, Reserve-Kon-taktlinsen, Mini-Seife, Sonnenbrille und Brille für die Nacht.

4)    Nonstop

Unter „nonstop“ ist zu verstehen ohne Übernachtung immer unterwegs bis an das Ziel.

Pausen sind stop`s an Tankstellen zum Füllen der Getränkeflaschen, weiterer Kauf von

Verpflegung, möglichst kurze Rasten zur Erholung, die aber notwendig und wichtig sind,

schon wegen sich ständig erhöhender Erschöpfung und Übermüdung durch Schlafmangel,   im weiteren Verlauf der Strecke (tatsächliche 1.401 km, ursprünglich geplant 1.330 km)  

5)    Ergebnis

Es ist möglich, auch wenn nicht alles klappt, aber der zweite Teil war wie es erwartet

wurde das Überraschungs-Ei, im Nachhinein ein (wie ebenfalls erwartet) richtiger Lei-

densweg mit Grenzwerterfahrungen.

Ich habe es geschafft und es war für mich ein modernes Abenteuer das ich nie vergessen werde, aber ein zweites Mal eine solche Extremfahrt allein, mit Rucksack und ohne Be-gleitfahrzeug, ganz ehrlich, nein danke, es reicht !!!     

 

 

Erlebnisbericht

 

Am 24.6.2015 ergab sich schon der Wetterwechsel für gute Prognosen zur bevorstehenden

Alleinfahrt. Beste Voraussetzungen und gute Laune für das Abenteuer waren damit schon vor-

gegeben. Die Vorbereitung lief perfekt mit 8.000 Trainingskilometern und keiner Verletzung.

Am Mittwoch-Vormittag wurde noch im Rathaus gearbeitet, aber die Aufregung war schon

deutlich spürbar. Zum Mittag-Essen gegen 12 Uhr 30 wurde der Tank aufgefüllt mit einer rich-

tigen Menge Spaghetti Bolognese. Um 15 Uhr gab es eine Schlaftablette, ab in die Falle, dass

der Körper auch richtig zur Ruhe kommt. Das hat geklappt, so gegen 16 Uhr 00 bin ich einge-

schlafen und am Donnerstag um 4 Uhr 00 früh klingelte der Wecker. Es wurde hell, es zeigte

sich der schöne angekündigte Starttag.

Ich hatte ausreichend Zeit und konnte mich gemütlich für die mal andere Art der anstehenden

Arbeit herrichten. Zum Frühstück hatte schon meine liebe Frau eine große Tasse duftenden Kaf-

fee bereitgestellt und es gab nochmals einen großen Schlag Spaghetti Bolognese.

Meine Fahrtausrüstung war schon am Vortag bereit, also ging es in die Radklamotten und um

ca. 5 Uhr 45 in den Keller, das Rad geschnappt und ab zum Start zur Bäckerei Doderer beim Rat-

haus Kaisersbach. 

 

Vor der Bäckerei standen schon meine Radfreunde Ralf, Klaus, Hagen, Martin und auch Josef.

Auch Mieke mit Gaby vom Kinderhospiz Pusteblume Backnang, hatten es sich nicht nehmen

lassen, mich beim Start zu verabschieden. Bei Kaffee und Brezeln  aus der Bäckerei Doderer

(noch zusätzlich von den Eheleuten Elke und Reiner gespendet), konnten auch sie dem frühen Morgen etwas Positives abgewinnen. Mieke klebte mir noch schnell einen Schutzengel als Glücksbringer an das Rad. Dann bog auch schon meine Chefin Bürgermeisterin Katja Müller

und ein weiterer Radfreund Harald um die Ecke. Kurze Begrüßung und ein paar Bilder runde-

ten den Startzeitpunkt 6 Uhr 00 ab. Auch das Bäckereiehepaar Elke und Reiner Doderer ver-

folgten den pünktlichen Start, als ich mich dann tatsächlich um 6 Uhr 00 auf das Rad schwang

und den langen Weg in Angriff nahm.

 

Jetzt wollte ich es erst mal langsam angehen lassen und ein gutes gleichmäßiges Tempo finden.

Dies gelang auch recht schnell und der runde Tritt war da. Nach Lorch und Geislingen wurde Ulm umfahren und Richtung Süden nach rd. 4 Stunden und 10 Minuten Ichenhausen durchfahren. Über Krumbach (10 Uhr 40) ging es weiter nach Mindelheim, das um 12 Uhr 45 nach rd. 155 km erreicht wurde. Um 13 Uhr 05 ging es nach annähend 170 km an Bad Wörishofen vorbei nach Kaufbeuren. Um 13 Uhr 50 wurde nach ca. 180 km Kaufbeuren, in Richtung Schongau und Peiting, umfahren. Peiting wurde um ca. 15 Uhr 00 nach 218 km erreicht. Hier gab es den ersten Kontakt mit der Polizei. Ich wurde aufgefordert, den Radweg (relativ schlecht) zu nutzen, der sei schließlich dafür da. Das Polizeifahrzeug fuhr neben mir her, weil ich nicht sofort wechselte. Der Polizist auf der Beifahrerseite zeigte mit dem Arm herrisch auf den Radweg. Mit einem bissigen langgezogenen „Ja“ ging ich dann widerwillig auf den Radweg. Ich wartete allerdings nur bis das Polizeiauto nicht mehr sichtbar war und wechselte wieder auf die Straße. Zum Glück standen sie nirgends. Das nächste Teilziel war Oberammergau, das nach ca. 245 km um etwa 16 Uhr 30 hinter sich gelassen wurde. Der Rucksack wurde immer schwerer und störender. Über Mittenwald (rd. 280 km und ca. 18 Uhr 30) wurde um ca. 20 Uhr 20 in Innsbruck eingefahren. In Kranebitten bei Innsbruck zeigte der Tachostand aktuell

315 km an. Jetzt begann der Anstieg in Richtung Brennerpass. Bis hier verlief die Fahrt perfekt.

Jetzt ergab sich das erste kleine Problem. Der Sattel war nicht ganz fest. Bei holpriger Straße kippte er immer wieder langsam nach hinten. Es musste ab jetzt immer wieder in der Weise korrigiert wer-den, dass auf den Bereich der Sattelspitze gesessen wurde und zusätzlich der Sattel am hinteren Teil hochgezogen wurde. Dies wurde mit der Zeit ein normaler, aber nerviger Korrekturvorgang. Ein In-busschlüssel wurde leider nicht mitgenommen. Dem „Homepage“ - Betreuer Roland wurde mitge-teilt, dass die nächste Nachricht erst wieder am Brenner erfolgt. Der Pass wurde um 23 Uhr 35 er-reicht. Es waren rd. 355 km gefahren worden. Gegenüber dem Rucksack hatte sich inzwischen ein Feindbild entwickelt.  

 

Jetzt ging es auf die südliche Seite runter über Sterzing nach Franzenfeste, wo dann der Abzweig in Richtung Bruneck eingeschlagen wurde. Bruneck wurde etwa um 3 Uhr 20  erreicht, Toblach um 4 Uhr 20 und Cortina d Ampezzo um 5 Uhr 45. Die Nacht war obwohl ich mich jetzt auf südlicher Seite befand, recht kalt, was dazu führte, dass ich etwas gefroren habe. Mit der ersten Nachtfahrt und einer gesamten Fahrzeit von nunmehr rd. 24 Stunden incl. aller Pausen, waren rd. 480 km hinter

mir. Die ersten Ermüdungszeichen machten sich bemerkbar.

 

Nach durchschnittlich jeweils 120 km wurden die Trinkflaschen gefüllt (2 Flaschen a 0,7 Liter). Es wurde dann auch etwas gegessen und eine kurze Pause eingelegt. Für den kleinen „Herren“ gab

es zusätzlich „Stops“ auf freier Strecke. Das Aufsuchen von Toiletten wurde vermieden. Dies des-

halb, weil die Angst zu groß war, dass das Rennrad mit einem Wert von 7.000 €, nach dem Toilet-

tengang verschwunden ist. Das war ein echtes Problem, wenn man ganz allein unterwegs ist.

Bis Cortina war praktisch immer noch alles perfekt, das kleine nervige Sattel-Problemchen habe

ich nicht mehr so beachtet, den Rucksack, der mir immer schwerer vorkam, einfach zwangsläufig hingenommen. Die Muskulatur war 100 % in Ordnung, Ermüdung und Schlafmangel bewegten

sich noch im grünen Bereich.

Die Gesamtverfassung und das Gefühl waren insgesamt einfach noch gut.          

 

In Cortina war am frühen Morgen sichtbar, dass wieder ein sehr schöner Tag beginnt. Es wurde

mir endlich wieder warm. Mit vollem Elan wurde der Weg Richtung Belluno und Conegliano  ange- steuert. Seitlich unterhalb von Belluno wurde nach rd. 555 km Fadalto durchfahren. Die Uhrzeit

war ca. 9 Uhr 15. Nach der Durchfahrt Conegliano (10 Uhr 30) wurde nach ca. 596 km Spresiano er-reicht. Danach folgte Treviso bei einer Uhrzeit von ca. 11 Uhr 30 und einer Strecke von rd. 610 km. Das erste Haupt-Ziel Venedig zu erreichen war nicht mehr fern. Jetzt wurde erstmals das Navi ein-gesetzt. Das klappte gleich gut mit der eingegebenen Strecke.

Plötzlich nach Befahrung einer leicht sich biegenden Straße über der Straßenführung das ersehnte

Bild braun hinterlegt mit weißer Schrift „Venezia“ Welcome – Willkommen – Bienvenue. Ich hielt

sofort an und ließ das Stadtschild auf mich einwirken. Die Uhrzeit zeigte 13 Uhr 15. Ich setzte mich

erst mal ein paar Minuten voller Freude hin. Einige Zeit später fuhr ich die Straße weiter und es

öffnete sich die Straßenführung quer durch das Meerwasser links und rechts nach Venezia Stadt.

Ich fuhr noch etwa 1,5 km weiter und machte auf dem Radweg an der Mauerführung direkt am

Meer eine Erholungspause. Es war ordentlich heiß. Ich machte ein paar Bildaufnahmen. Ich war voller Glücksgefühle, dass Teil I wie im Film abgelaufen ist.

 

Um ca. 14 Uhr 15 wurde wieder mein geliebter Rucksack geschultert und das Rad in Fahrtrichtung

„Heimat“ gedreht. Die Rückfahrt begann und damit der Teil II, der völlig anders verlaufen sollte.

Zunächst musste ich feststellen, dass das Navi seinen Dienst eingestellt hatte. Mir kam die Zeit kurz vor, aber das Navi hat wohl durch die Sonneneinstrahlung überhitzt. Ich war nicht im Schatten sondern hatte mich auf eine Mauerführung am Radweg gesetzt. Der Lenker des Rennrades war

der Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Ich machte das Navi weg und legte es in den Rucksack. Ich

war überzeugt es wird abkühlen und dann wieder funktionieren.

 

Daheim hatte ich mich schon entschieden, in die Rückfahrt etwas Abwechslung zu bringen und

über den Gardasee heimzufahren. Die Strecke ist etwas länger und hat mehr Höhenmeter. Von Vorteil war, dass ich die Strecke ab Rovereto in Richtung Bozen und Brixen zum Brenner aus frü-heren Fahrten zum Gardasee kannte. Jetzt musste ich aber erst mal aus Venedig herausfinden.

Ein paar Kilometer konnte ich ja zunächst die gleiche Strecke zurückfahren. Ich suchte dabei na-türlich schon immer Hinweise zu Ortschaften die die Richtung zum Gardasee hatten. Es folgten

sehr viele zeitaufwändige „stops“ mit Landkartenkontrolle. Dann traf ich auf eine kleine Imbiss-

stelle an der ich einen Halt machte zum Auffüllen der Trinkflaschen.

Ich holte jetzt wieder das Garmin-Navi heraus und brachte es zum Einsatz mit der Streckeneinga-

be „Venezia-Oberau“. Welche Freude, es hatte sich erholt und funktionierte wieder. Wenig später wurde die Fahrt wieder aufgenommen. Nach kurzer Zeit musste ich gefühlsmäßig feststellen, dass

es bei mir den Eindruck machte, ich fahre nicht in die richtige Richtung. Ich ignorierte es und dachte

ich bin wohl jetzt wirklich schon etwas angeschlagen. Meine Befürchtungen sollten sich aber leider bewahrheiten. Plötzlich ging es mir wie dem Wanderer in der Wüste, ich holte meine eigenen Spuren ein. Ich stand plötzlich wieder vor dem Stadtschild „Venezia“. Ich war schlagartig am Boden zerstört.

Ich hatte die Strecke „Venedig-Oberau“ eingegeben und wurde nach Venedig zurück navigiert. Wo lag der Fehler fragte ich mich? Das Navi hatte doch nach Venedig richtig funktioniert. Ich konnte zwar das geliehene Navi daheim nicht testen, weil es Montag und Dienstag nach der Arbeit regnete, aber es war ja einfach zu bedienen. Die Uhr zeigte beim zweiten Mal „Venezia“ 16 Uhr 18 an. Ich glaube

in dem Moment war ich wie ein kleines Häuflein Elend. Aber es nützte ja nichts, ich musste es weg-stecken. Also entfernte ich mich erstmal ein Stückchen vom Unglücksort. Das Stadtschild war für mich 100 % Glück und 2 Stunden später 100 % Unglück geworden. Wie im Leben liegt tatsächlich alles sehr dicht zusammen.

Die alleinige Schuld schiebe ich mal auf mich. Ich hätte das Navi egal wie, daheim auf jeden Fall in Ruhe testen sollen. Zur Strafe musste ich dies jetzt richtig ausbaden. Ich schaltete das Navi nochmals ein und gab die Strecke „Venedig-Oberau“ ein. Ich kann es leider nicht abschließend beantworten, wo der Fehler lag, aber es wollte mich wieder zurück navigieren.

Ich ignorierte es jetzt und dachte warte mal eine gewisse Strecke ab und beobachte, ob sich die

Streckenführung plötzlich in die richtige Richtung bewegt. Zum Glück hatte ich ja noch mein Karten-material zur Verwendung, sonst wäre ja jetzt Schluss gewesen. Tja, das Navi hatte seinen eigenen

Kopf und wollte mich permanent stur zurück bringen. Erschöpfung und Niedergeschlagenheit ge-wannen etwas die Oberhand. Es wurde lästig sich mit dem Navi rumzuärgern. Später löste sich dann das Problem von selbst, in dem das Navi vielleicht nach insgesamt 5 Stunden, durch leeren Akku

ausfiel.

Mit Fragen und suchen nach kleinen Ortschaften fand ich aus Venedig heraus in das richtige kleine

Örtchen Mirano. Auf die demoralisierende Suche nach kleinen Ortschaften will ich nicht weiter ein-gehen. Ich sage nur insgesamt, die Wegweisungen in Italien kann man wirklich nur so beschreiben, dass man die bekannte Aussage macht: „viele Wege führen nach Rom“.

Allen Widrigkeiten zum Trotz kam ich aber langsam weiter, über S. Maria, Borgoricco, Camposam-piero, Villa, S. Giorgio, Gazzo, mit weiterer Richtung nach Vicenza. In Vicenza zeigte die Uhr dann schon 19 Uhr 50 an. Die zweite Nachtfahrt war nicht mehr weit entfernt. Glücklicherweise zeigte dann schnell ein Schild die gewünschte Richtung nach Schio an. Hinter Schio, das sah ich auf der

Karte, wird in die Berge eingefahren. Ich musste mich entscheiden, jetzt eine längere Ruhepause

auf der Wiese einzuschlagen oder weiter zu fahren. Hier unten war es warm und relativ einfach und

wohl auch ungefährlich auf einer Wiese ein kleines Nickerchen zu machen. In den Bergen hielt ich

es für schwieriger und zwangsläufig würde es auch deutlich kühler sein.

Durch den aufgelaufenen hohen Zeitverlust hatte ich aber in der dortigen ruhigen Gegend etwas Angst fest einzuschlafen und erst nach einigen Stunden wieder aufzuwachen. Ich entschloss mich

also dazu weiter zu fahren. Als ich hinter Schio in die Berge einfuhr war es ca. 21 Uhr 30. Es ging

dann über den Pass Pian delle Fugazze auf 1.160 m Höhe. Die Passhöhe erreichte ich ca. 1 Uhr 00.

Dann ging es hinunter und kurz hinter Vallarsa kam eine Umleitung über eine Nebenstrecke von Anghebeni - Arlanch - Sant Anna nach Matassone. Ab Arlanch ging es dabei wieder 6 km aufwärts

bis um ca. 2 Uhr 25 erstmals Matassone erreicht wurde. Die Nebenstrecke war so leer und einsam, dass das Gefühl aufkam ich war falsch, weil Rovereto ja nicht so weit weg sein konnte und kein Licht weit und breit zu sehen war. Es war tiefe Nacht und ich konnte mich ja nirgends erkundigen. Dann kam leider die nächste Fehlentscheidung. Ich fuhr nochmals hinunter nach Arlanch und prüfte die Beschilderung. Ich war richtig gewesen und hatte keinen Abzweig übersehen. Jetzt war ich mit der Energie am Ende. Die Ermüdung und die Nacht gaben mir den Rest. Direkt neben der Straße auf einem kleinen Wiesenstück legte ich mich auf meine Regenklamotten und nutzte meinen Rucksack als Kopfstütze bzw. als Kopfkissen. Es war mir dabei nicht kalt. Ich befürchtete jetzt, dass ich fest einschlafen werde. Die Angst, dass ich im Schlaf möglicherweise irgendwann beklaut werde, wurde unterdrückt. Es trat eine gewisse Gleichgültigkeit ein. Es müsste etwa gegen kurz vor 3 Uhr nachts gewesen sein. Ich döste völlig niedergeschlagen vor mich hin. Zum Glück schlief ich nicht fest ein.

Gegen 4 Uhr 30 begann es mir recht kalt zu werden. Ich stand auf, fühlte mich etwas besser und

fuhr jetzt das zweite Mal nach Matassone hoch. Ich glaube ich war etwa um 5 Uhr 40 im Ort. Dann

gab es eine sehr lange Abfahrt und ich war endlich um ca. 6 Uhr 15 in Rovereto. Kurz darauf traf

ich auf ein Straßenschild nach Trento. Jetzt hatte ich die Gewissheit, es gibt keine Streckenverun-

sicherung mehr. Ab hier hatte ich alles im Kopf, da hätten auch die Landkarten fehlen können.

Das gab Auftrieb und es zeigte sich schon jetzt wieder der nächste schöne sonnige Tag. Trotz Erschöpfung und Müdigkeit kam der Elan zurück. Leider wurde die aufkommende Euphorie rela-

tiv schnell wieder eingebremst.

Um ca. 7 Uhr 15 gab es auf eigentlich guter Straße einen Knall und der Hinterreifen war platt.

Ich nahm das zunächst recht gelassen zur Kenntnis. Ich dachte in maximal 10 bis 20 Minuten kann

ich wieder weiterfahren. Dann sah ich den Super-Gau, der Mantel war seitlich aufgeschlitzt und

hatte bestimmt ein 5 mm großes Loch. Also kam die nächste Fehlentscheidung auf den Tisch.               

Trotz neuer Bereifung hätte ich auch einen Ersatzmantel mitnehmen sollen. Wieder ging es ab

in ein tiefes Loch. Jetzt wurde der Rucksack leer gemacht und nach der Verwendung einer festen

Unterlage gesucht. Fündig wurde ich bei einem Hartplastikstück, wo Batterien für das Rücklicht

verpackt waren. Dies sah ich aber sehr kritisch. Die Rundungen waren etwas kantig und es war

davon auszugehen, dass das nicht allzu lang heben wird. Ich wollte also das Teil noch nicht unbe-dingt unterlegen. Ich setzte mich erstmal hin, trank etwas und überlegte was ich nun tun sollte.

Ich holte mir einen Riegel aus meiner Satteltasche und griff auf etwas Hartes. Ich zog es raus und

es war ein rausgeschnittenes Teilstück aus einem Reifenmantel. Die Satteltasche hatte ich im Vor-

monat beim Radurlaub in Mallorca dabei. Da hatte ich wohl daheim das Behelfsstück für Mantel-pannen nicht ausgepackt. Jetzt hatte ich mal Glück. Die Reparatur mit dem Unterlegen des Mantel-

stückes war einfach. Es war etwa 8 Uhr 20 als ich die Fahrt wieder aufnehmen konnte. Ich wusste, dass ich nun nach einem Radgeschäft Ausschau halten musste. Die Reparatur wird nicht dauerhaft halten. Irgendwann wird sich der Schlauch durchgerieben haben und der nächste „Platten“ ist da. Leider konnte ich zunächst nichts finden. Um 9 Uhr 30 fand ich eine Bar zum Füllen der Getränke-flaschen. Zusätzlich gab es toll mundende süße Stückchen zum Frühstück. Die Welt sah wieder ganz gut aus. Die Weiterfahrt endete dann kurz vor 11 Uhr mit den nächsten „Platten“. Der Schlauch hat-te sich durchgerieben. Zu dem Zeitpunkt war ich etwa 45 km vor Bozen. Ich nahm es einfach so hin. In etwa 200 m Entfernung vor mir waren einige Häuser. Ich musste jetzt unbedingt jemand ausfindig machen und zu einem neuen Mantel kommen. Die paar Häuser waren aber alle geschlossen und

es zeigte sich niemand. Bei einem Haus standen 3 Autos davor, aber auf mein Klingeln zeigte sich niemand. Ich ging wieder aus dem Hof raus an die Straße. Da kam ein Klein-LKW, den ich anhalten

konnte. Trotz dem Sprachproblem konnte ich meinen Schaden gut vermitteln. Ich verstand, dass

es in etwa ca. 5 km Entfernung in einem Ort ein Radgeschäft gibt. Er bot mir an, mein Rad auf den Müll zu legen und mich zum Ort mitzunehmen. Als ich den Abfall sah, lehnte ich ab. Bei der Fahrt

hätte mein Carbon-Rahmen bestimmt einen Schaden erlitten. Der Mann gab mir dann aber die

Anschrift des Radgeschäftes und fuhr weiter. Jetzt stand ich wieder da und überlegte wie es wei-

ter gehen soll. Ich entschied mich dafür, den zweiten Schlauch zu opfern und nochmals den be- schädigten Mantel mit dem Mantel-Teilstück zu unterlegen. Ich würde dann ja die Strecke bis

zum Radgeschäft schaffen und hoffentlich den Laden auch finden. In dem Moment sah ich ei-

nen jungen Mann aus dem Haus kommen, wo ich geklingelt hatte und die 3 Autos davor stan-

den. Ich reagierte sofort, eilte zum Haus und sprach ihn an. Ich zeigte ihm den Schaden. Weiter

zeigte ich ihm einen Flyer der Benefizfahrt, dass er sah, was der kaputte Radfahrer gerade für

eine verrückte Tour durchführt. Ich glaube es hat ihn beeindruckt und er war sofort hilfsbereit.

Der Radladen war ihm auch bekannt. Also ab ins Auto zum glücklicherweise offenen Radgeschäft.

Für mich war Weihnachten und Ostern gleichzeitig als ich Mantel und Schlauch erworben hatte.

Die Montage war schnell erledigt. Endlich um 12 Uhr 10 konnte ich mich von meinem netten Hel-

fer „Andrea“ aus Sorni di Lavis verabschieden. Er gab mir eine Anschriftskarte und ich versprach

ihm zu schreiben, wie meine Fahrt weiter verlaufen ist.

Die Motivation war wieder da und ich radelte zügig auf Bozen zu. Wenige Kilometer vor Bozen wechselte ich auf den gut ausgebauten Radweg, der ja an Bozen vorbei, über Trento und Brixen,

zum Brenner führt. Ich hatte ein gutes Gefühl, dass jetzt meine technischen Pannen vorbei sind.

Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, ich sollte tatsächlich recht behalten. 

 

Um ca. 17 Uhr 00 erreichte ich Brixen. Ich hatte schon bemerkt, dass sich über den Bergen dunkle

Wolken bilden. Meine Gedanken beschäftigten sich gleich intensiv mit der Wetterentwicklung auf

dem Anstieg in Richtung Brenner-Pass, da fielen auch schon die ersten Regentropfen. Ich hielt an

einem kleinen Laden und kaufte Getränke und Kekse. Es war jetzt richtig dunkel geworden. Kurz

konnte ich mich noch im Freien aufhalten, dann setzte stärkerer Regen ein. Mir war klar, was jetzt

bevorstand, nämlich Nässe, Kälte und in überschaubarer Zeit Einbruch der Dämmerung und die

dritte Nacht ohne Schlaf. Jetzt wird es immer mehr zur Hammer-Tour und zur Kopfsache. Wie

werde ich wohl durch die Nacht kommen fragte ich mich. Überraschenderweise rissen nach ca.

einer dreiviertel Stunde die dunklen Wolken auf und kurz darauf hörte es auf zu regnen. Also um

etwa 18 Uhr nichts wie aufs Rad und weiter geht’s. Um etwa 20 Uhr 00 erreichte ich Sterzing.       

Dann ging es hinauf zum Brennerpass. Ca. 2 km vor der Passhöhe begann es wieder zu tröpfeln.

Ich fuhr schneller und hoffte, dass ich noch trocken über den Pass komme und dann schnell über

Steinach und Matrei, Innsbruck erreichen kann. Leider richtete sich das Wetter nicht nach mei-

nen Wünschen und Vorstellungen. Um 21 Uhr 00 erreichte ich den Brenner und das Nieseln

ging in kräftigen Regen über. Jetzt hatte ich noch rd. 355 km Fahrstrecke vor mir. Auf der linken

Seite sah ich eine Pizzeria, die mich gleich magisch anzog. Mein Magen signalisierte „Ich will ei-

ne große gute Pizza“. Er hatte recht, ich konnte nicht widersprechen. Der Gedanke, endlich mal

keine Riegel, ließ die Wettersituation erstmal vergessen. Das Rad stellte ich an den Fensterbereich dass ich es immer im Blickfeld hatte. Ich betrat die Pizzeria und bestellte mir einen Tee und die angedachte große Pizza. Kurze Zeit später konnte ich mich voller Genuss über die Pizza her machen. Die Strapazen traten für kurze Zeit in den Hintergrund. Sitzen, essen und trinken und nicht stram-

peln, das Leben konnte so schön sein. Gegen 22 Uhr, die Pizza war einschließlich aller Krümel ver-

tilgt, fragte ich, wie lange die Wirtschaft offen hat. Der Kellner antwortete, dass gegen 22 Uhr 30 geschlossen wird. Draußen hatte inzwischen der Regen etwas nachgelassen. Ich beschloss, kurz

vor Schließung der Wirtschaft, weiter zu fahren. Als ich mich dann entsprechend schon mit allen vorhandenen Klamotten für die kühle Nacht  einkleidete, incl. der Regenbekleidung, hatte es draußen zu regnen aufgehört. Es war ordentlich etwas runter gekommen, überall große Pfützen.

Bei Nässe und Dunkelheit mit etwas beschränkter Sicht, wurde vorsichtig die Abfahrt in Richtung Innsbruck in Angriff genommen. Trotzdem war ich zufrieden, es ging wieder weiter.

 

Noch vor 24 Uhr konnte ich in die Stadt Innsbruck einfahren. Jetzt schnell die B 171 finden und

den Zirler Berg in Angriff nehmen. Das klappte auch sofort. Ich muss jetzt raten, aber nach ca. 80 % des Zirler Berges verließen mich die Kräfte, ich musste absteigen. Es ist allerdings bekannt, dass der Zirler Berg, auch ohne Gepäck und über 1.000 km in den Beinen, sehr anspruchsvoll, also steil ist.

Ich schob also mein Rad den Berg hoch. Hier begannen dann erstmals meine irrealen Erlebnisse.

Ich war nüchtern und wach, unterhielt mich aber mit einer nicht anwesenden Person. Es ging so

in die Richtung: „Jetzt müssen wir halt das Stück hochlaufen, dann wird es besser, das Härteste ist

dann überstanden“. Ich fühlte mich nicht mehr allein. Das Gehen mit den Radschuhen war anstren-gend, aber mal angenehm anders. Ich hatte das Gefühl, der Berg hört nicht auf. Ich schwitzte heftig. Mein tatsächlich nicht vorhandener Gesprächspartner war angenehm und wir erreichten nach gefühlt langer Zeit die Höhe des Zirler Berges. Erschöpft gab es erstmal eine Trinkpause. Der wache Traumzustand gab mir zu denken.

Dies normalisierte sich aber auf dem Weiterweg über Seefeld, Scharnitz, nach Mittenwald, das etwa um 3 Uhr früh erreicht wurde. Zwischen 3 und 4 Uhr fand ich einen schon offenen Frühstücksimbiss, wo ich einkehrte. Die Batterie war wieder leer, ich musste etwas essen und trinken, insbesondere reichlich Kaffee, weil ich total übermüdet war. Ich blieb einige Zeit. Noch im Dunkeln brach ich dann wieder auf und erreichte um etwa 6 Uhr 50 Farchant, zwischen Garmisch und Oberammergau. Jetzt fehlen mir noch ca. 260 km. Es war 6 Uhr 50 am Morgen. Die Straßen waren auch hier nass, da es in der Nacht geregnet hatte. Der Tag begann aber schön.

Ich hatte wohl Aussicht auf einen letzten schönen Fahrtag. Gegen 9 Uhr 45 erreichte ich ohne neue Probleme Peiting. Es war jetzt aber ein ständiger Kampf gegen Übermüdung und Erschöpfung. Im-mer wieder deutete sich Sekundenschlaf an. Ich musste deshalb oft zur Erholung kurz anhalten. Es fehlen noch etwa 220 km.

Dies noch zu bewältigen, erschien mir aktuell, wie die Besteigung des Mount Everest. Ich quälte

mich weiter nach Bad Wörishofen und nahm mir vor, dort eine größere Pause zu machen. Ich woll-

te in der Ortsmitte einkehren und gut essen. Kurz vor Wörishofen musste ich aber schon wieder halten und einen Mc Donald aufsuchen. Ich füllte Getränke auf und nahm einen Toast zu mir. Ich brauchte also hier schon wieder ein Päuschen. Schließlich ging es auch hier wieder weiter und ich fuhr in Bad Wörishofen ein. Jetzt fehlten mir noch rd. 170 km bis an das Ziel. Ich denke es müsste etwa 13 Uhr gewesen sein. Das Zeitgefühl hatte ich etwas verloren. Ich war immer wieder etwas

abwesend. Ich stellte auch fest, dass mir die Nackenmuskulatur stark schmerzte. Ich fand in der Ortsmitte eine schöne Wirtschaft, das Hotel Löwenbräu, mit gutbürgerlicher Küche.

Ich glaube ich bestellte einen Kutscherteller und ein alkoholfreies Weizenbier. Bis das Essen kam,

nickte ich wiederholt am Tisch kurz ein. Die Augen gingen zu und der Kopf runter. Dann schreckte

ich wieder hoch. Es war mir tatsächlich noch peinlich, was die Leute um mich rum dachten. Mein Zustand war ja kaum zu übersehen. Dann massierte ich mir wiederholt den Nacken, weil die Hals-

muskulatur schmerzte. Zum Glück kam dann das Essen und lenkte mich ab. Bier, Salat und Kut-

scherteller schmeckten hervorragend. Danach bestellte ich noch eine Kanne Kaffee. Als ich spä-

ter zahlte fühlte ich mich etwas besser. Ich denke, dass ich kurz nach 14 Uhr die Fahrt wieder aufnehmen konnte.

 

Ich fuhr in Richtung Mindelheim und konnte mehr oder weniger schlagartig den Kopf nicht mehr

anheben. Nur mit aller Kraft und unter Schmerzen konnte ich ihn kurz hochbringen. Ich war ver-

zweifelt, wie sollte ich so fahren. Ich hielt an und dehnte den Kopf ausgiebig nach hinten. Es

stellte sich kein Erfolg ein. Ich konnte nur noch kurz vor das Vorderrad sehen. Ich orientierte

mich an dem weissen Seitenstreifen. An dem musste ich eben entlang fahren. Zusätzlich ent-

wickelte ich die Strategie, mit der linken Hand eine Faust zu machen und den Kopf immer wieder

hoch zu drücken. So konnte ich sehen, ob die nächsten 50 m ein Hindernis oder ein Wegweiser

kommt.

Die Fahrweise war auf Dauer sehr anstrengend. Mir fiel aber keine bessere Lösung ein. Aufgeben wollte ich auf keinen Fall. Die Beine verrichteten anstandslos ihren Dienst, das war entscheidend.

Aus Erschöpfung musste ich natürlich oft anhalten, nahm die Fahrt aber immer recht zeitnah wie-

der auf. Pausen auf der Wiese vermied ich. Ich hatte Angst dauerhaft  einzuschlafen.

 

Das Zeitgefühl war jetzt ganz verschwunden. Der Kopf sagte nur noch treten und die nächsten Ortschaften erreichen. Das dauernde Kopf stützen war zusätzlich resignierend. Kinn und Nacken

schmerzten. Inzwischen tat auch der linke Handballen weh, weil sich auf diesen die Stützkraft verlagerte. Bis in den kleinen Finger trat ein Taubheitsgefühl auf. Trotzdem signalisierte der

Kopf, dass nicht aufgegeben wird. Ich sagte mir, dass nur eine technische Panne die Fahrt be-

enden kann. Zum Glück waren aber die Anzeichen für einen Sekundenschlaf vollständig ver-schwunden. Ich fühlte mich nur absolut kaputt und wollte daheim sein.

 

In diesem Zustand fuhr ich über Mindelheim nach Krumbach und Ichenhausen Richtung Ulm.

Alles schmerzte und die Kraft reduzierte sich mehr und mehr. Plötzlich  sah ich um 18 Uhr auf

einem Wegweiser erstmals den Hinweis auf Ulm. Da hielt ich sofort an und machte ein Bild.

Nur auf Grund des Bildes war mir die Uhrzeit klar. Ulm bedeutete für mich plötzlich Heimatnähe.

Das gab mir einen kurzen Energieschub. Ich war mir sicher, jetzt schaffe ich es. Mit dem Rest

an Akkuladung schickte ich eine SMS an meine Frau Veronique, dass ich in der Nähe von Ulm bin

und ca. 21 Uhr 30 daheim sein werde. Danach informierte ich auch meine Bürgermeisterin Katja Müller und meinen Radfreund Ralf.

Was ich nicht mehr registrierte war, dass ich noch weiter weg war wie gedacht. Um 19 Uhr 20

war ich erst in Nersingen. Von dort aus fährt man aber in normalem Tempo 3 Stunden bis Kai-sersbach. Auch in gutem Zustand konnte ich also nicht vor 22 Uhr 30 daheim ankommen. Ich

nahm das jetzt einfach so hin, der Verstand funktionierte einfach nicht mehr so wie ich wollte.

Ich hielt in Nersingen an und kaufte an einem Stand ein kleines Körbchen Erdbeeren, die ich

ruckzuck vertilgte. Die waren Spitze.

Dann quälte ich mich weiter an Ulm vorbei, nach Geislingen runter, über Süßen, Salach und

Ottenbach über den Hohenstaufen nach Lorch. Es war jetzt ca. 22 Uhr 30 und ich hatte meine

Ankunftszeit schon 1 Stunde überschritten. In langsamem Tempo kroch ich am Kloster Lorch

vorbei. Seit Nersingen war ich aber nicht mehr abgestiegen und hatte auch keinen Halt mehr

gemacht. Der Kopf hatte hier entschieden einfach weiter zu treten bis ans Ziel.

 

Die Straßen kamen mir alle fremd vor, obwohl ich sicher war, dass ich richtig bin. Eigentlich re-

gistrierte ich nur noch die Straße selbst. Angrenzende Bäume, Sträucher und Häuser nahm ich

nicht mehr wahr. Es war ein völlig unwirklicher Zustand. Ich war wach und doch irgendwie wie

im Traum. Ein völlig verrücktes Gefühl im nüchternen Zustand.

Mir war bewusst, dass dies nicht mehr lange funktionieren kann. Ich war jetzt wirklich absolut

am Ende. So bog ich in den letzten Kreisverkehr nach Kaisersbach ein.

Als ich am Abzweig Eulenhof vorbei fuhr und dann Kaisersbach sah, schossen schon die ersten

Glücksgefühle hoch. Ich hatte es tatsächlich geschafft, was viele nicht für möglich gehalten haben.

 

Als ich dann die Garageneinfahrt einbog, wurde ich schon von meiner Frau freudig empfangen.

Ich glaube ich habe ihr sehr viele Sorgen bereitet.

Dies ist das Einzige was ich bereue.

 

 

Schlussbemerkung

 

Die Tour gab mir das, was ich von ihr erwartet hatte.

 

Teil I nach Venedig schaffe ich mit Sicherheit, weil ich top vorbereitet bin.

(das ist auch zugetroffen)

Teil II von Venedig zurück ist das Überraschungs-Ei (das ist auch zugetroffen),

wozu ich aber nie eine Aussage gemacht habe.

 

Es wurde auch der erwartete Leidensweg. Die Art der Leiden und wie sie verarbeitet und weg-gesteckt werden, das war die „Unbekannte“. Ich war mir sicher, dass letztendlich der Kopf ent-scheidet, ob Geist und Körper gebrochen wird.

In der Vorbereitung habe ich mich immer darauf eingestellt, dass zu 100 % diese Situationen

kommen werden und dann entscheidet sich alles.   

 

Es war eine Grenzwerterfahrung und teilweise darüber.  

Es war schön und hart und es waren alle Höhen und Tiefen im Spiel.

Ich bin froh, dass ich es gemacht habe.

Ein bleibendes Erlebnis.

 

Ob diese „Nonstop-Tour“ in dem Umfang, nachträglich aus meiner Sicht, doch etwas verantwor-tungslos und verrückt war, will ich für mich behalten.  

(Persönlich habe ich mir innerlich diese Frage aber abschließend längst beantwortet. Man kann sich

vielleicht denken, zu welchem Ergebnis ich gekommen bin.)

 

Die schöne Sache ist, dass ich für das Kinder- und Jugendhospiz Pusteblume in Backnang, viele

Spenden einfahren konnte.

Dies ist viel wichtiger und letztendlich der einzige Punkt der zählt.

Es ist eine ganz wichtige Einrichtung. Alle Familien, die gesunde Kinder haben, sollten dankbar

sein, dass sie die Hospizeinrichtung nicht selbst in Anspruch nehmen mussten. Eine kleine un-terstützende Spende kann da nicht so schwer wiegen. 

 

 

Die Spendenfahrt ist abgeschlossen, aber Spenden sind auch jetzt noch unter dem Vermerk

„Venedig“ möglich. Allen Spendern werden noch Spendenbescheinigungen zugestellt.

  

 

 

Vielen Dank an alle Spender, die in Verbindung mit dem Aufhänger der sportlichen Aktion, den

Hospizdienst unterstützt haben.

 

Vielen Dank auch an meine ganzen Unterstützer und Helfer in der Vorbereitung und Abwicklung.

 

Vielen Dank auch an meine Familie, der ich mit der Durchführung dieser grenzwertigen sportlichen Aktivität Sorgen bereitet habe.         

 

 

Der Radler

 

Dieter